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Geistiges Eigentum in der Kunst in den Niederlanden – Teil 1

Das Spannungsverhältnis zwischen Appropriation Art und Urheberrecht 

Dieser Artikel handelt vom Spannungsverhältnis zwischen Appropriation Art und Urheberrechten und setzt sich mit frei rezent in den Niederlanden ergangenen Urteilen auseinander, in denen diese Thematik eine Rolle spielte.

Laut Christoph Zuschlag, Professor für Kunstgeschichte an der Uni Koblenz, ist Appropriation Art eine Kunstform, in welcher der Künstler bereits existierende Kunstwerke kopiert um eigenständige, originale Kunstwerke herzustellen (Aufsatz „Die Kopie ist das Original”, abrufbar unter: http://www.uni-koblenz-landau.de/landau/fb6/kunst/mitarbeiter/christoph-zuschlag/aufsatz-zuschlag-deja-vu.pdf). Ziel dessen ist gerade nicht die Schaffung eines Plagiats, also Ausgabe eines fremden Werks als das eigene. Da jedoch ein fremdes Werk übernommen wird, steht Appropriation in einem Spannungsverhältnis zu dem Urheberrecht des Künstlers des ersten Werkes.

  1. Hoge Raad: Broeren/Duijsens

In dem Rechtsstreit Broeren gegen Duijsens hatte der Oberste Gerichtshof der Niederlande (Hoge Raad) zu entscheiden, ob das niederländische Recht Schutz für den Hersteller eines Werkes auf Grundlage der Haftung aus unerlaubter Handlung gegen eine sogenannte sklavische Nachahmung (= detailgetreue Nachahmung) eines Stils bzw. wesentlichen Stileigenschaften bietet.

In dem Fall war die Künstlerin Duijsens gegen den Künstler Broeren vorgegangen, weil dieser ihrer Meinung nach ihr Urheberrecht verletzte, indem er ihren Malstil kopierte. Das Gericht ’s-Hertogenbosch gab der Künstlerin in erster Instanz in drei Fällen Recht; es urteilte, dass drei Kunstwerke von Broeren das Urheberrecht von Duijsens verletzten.

Duijsens fühlte sich dadurch nicht ausreichend geschützt und ging daher in Berufung bei der zweiten Instanz, dem Gerichthof ’s-Hertogenbosch. Der Gerichtshof urteilte, dass fünf Bilder von Broeren das Urheberrecht von Duijsens verletzen und dass mehrere Bilder eine sklavische Nachahmung darstellen, indem Duijsens Stil detailgetreu von Broeren kopiert wurde. Damit gewährte der Hof Schutz für den Malstil von Duijsens.

Duijsens-Broeren

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Oben ein Bild von Duijsens und unten ein Bild von Broeren, welches zwar nicht das Urheberrecht von Duijsens verletzt, wohl aber eine sklavische Nachahmung darstellt.

Bildquelle: Urteil Gerechtshof ’s-Hertogenbosch, Punkt 4.11.2. (ECLI:NL:GHSHE:2011:BU4770) http://uitspraken.rechtspraak.nl/inziendocument?id=ECLI:NL:GHSHE:2011:BU4770

 

Duijsens-Broeren2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Oben ein Bild von Duijsens, unten ein Bild von Broeren, welches nach dem Gerichtshof eine Verletzung von Duijsens Urheberrecht darstellt.

Bildquelle: Urteil Gerechtshof ’s-Hertogenbosch, Punkt 4.11.2.(ECLI:NL:GHSHE:2011:BU4770)  http://uitspraken.rechtspraak.nl/inziendocument?id=ECLI:NL:GHSHE:2011:BU4770

Daraufhin legte Broeren bei dem Hoge Raad, der dritten Instanz, Revision ein und verlangte die Klärung der obengenannten grundsätzlichen Frage. Das Gericht entschied, dass das niederländische Recht keinen Schutz für den Hersteller eines Werkes auf Grundlage der Haftung aus unerlaubter Handlung gegen detailgetreue Nachahmung bietet. Die Nachahmung eines Stils oder von Stileigenschaften ist daher nicht unrechtmäßig und ein Stil kann auch nicht durch ein Urheberrecht geschützt werden. Nur die konkrete Ausarbeitung eines Stils in einem spezifischen Bild kann durch ein Urheberrecht geschützt werden.

Allerdings schloss der Hoge Raad auch nicht vollständig aus, dass die detailgetreue Nachahmung eines Stils oder von Stileigenschaften unrechtmäßig sein kann, wofür jedoch zusätzliche Umstände vorliegen müssen. Der Gerichtshof hatte in zweiter Instanz bereits die Verwechslungsgefahr durch Ähnlichkeit und das Profitieren von der Bekanntheit des anderen Künstlers als zusätzliche Umstände behandelt, denkbar seien des Weiteren noch die Irreführung der Öffentlichkeit und Reputationsschaden.

  1. Hof Amsterdam: van Loo/Souvenirindustrie Buis

In dem Fall van Loo gegen Souvenirindustrie Buis hatte der Gerichtshof Amsterdam in zweiter Instanz zu entscheiden, ob Untersetzer verziert mit dem Stil der Delfter Keramiken (delfts blauw) durch ein Urheberrecht geschützt sind.

Das Unternehmen van Loo handelt mit touristischen Produkten wie Postkarten, Fotobüchern, Untersetzern und Schlüsselanhängern; diese wurden auch im Rahmen einer langjährigen Geschäftsbeziehung an das Unternehmen Buis geliefert. Van Loo war aufgefallen, dass Buis beinahe identische Untersetzer mit Bauernmotiven im Stil der Delfter Keramiken verkauft und fordert daraufhin ein Verkaufsverbot.

In erster Instanz hatte das Gericht Amsterdam die Forderungen von van Loo abgewiesen mit der Begründung, dass die Untersetzer urheberrechtlich nicht geschützt seien.

In der von van Loo eingereichten Berufung kam der Gerichtshof Amsterdam zu dem Urteil, dass zwar der Stil delfts blauw an sich nicht geschützt ist, der Hersteller van Loo im konkreten Fall jedoch eine individuelle Wahl innerhalb des Stils getroffen hat, welche durch ein Urheberrecht geschützt wird. Damit sind die Abbildungen von Bauern auf den Untersetzern eine geschützte Stilvariante. Schlüsselanhänger mit Windmühlen- und Tulpenabbildungen hingegen unterliegen keinem Urheberrecht, da hier nicht von einer persönlichen Wahl innerhalb eines Stiles gesprochen werden kann.

Delfts-Blauw

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Oben die Untersetzer im delfts blauw Stil und unten die Schlüsselanhänger.

Bildquelle: IE-Forum http://www.ie-forum.nl/backoffice/uploads/image/plaatjes%20IEF/IE-Forum%20Van%20Loo%20Sleutelhangers%20en%20onderzetters%202.png

  1. Rechtbank Gelderland: Piet Hein Eek

In dem Fall betreffend den Möbelhersteller Piet Hein Eek hatte das Gericht der ersten Instanz, die Rechtbank in Gelderland, zu entscheiden, ob die eine Variante innerhalb eines Stils das Urheber- und Markenrecht des Herstellers Piet Hein Eek verletzt.

Ein vormals bei Piet Hein Eek beschäftigter Schreiner bot auf seiner Internetseite Werke an, die teils aus nachgemachten Entwürfen von Piet Hein Eek bestanden. Dabei ging es u.a. um einen runden Tisch, der in einem besonderen Stil mit Holzabfällen hergestellt wurde. Die runde Form war zwar nicht im Gesamtwerk von Piet Hein Eek zu finden, aber das Gericht befand, dass wenn die Oberfläche eines Tisches und die Verarbeitung mit verschiedenen Formen auf einen Stil geeicht sind, auch eine Variante wie die runde Form eine Verletzung des Urheberrechts des ersten Herstellers darstellen kann.

Tisch-Piet-Hein-Eek

 

 

 

 

 

Ein Tisch aus der Kollektion von Piet Hein Eek

Bildquelle: Piet Hein Eek http://www.pietheineek.nl/nl/collectie/tafels/afvaltafel-in-sloophout/art.nr.3855h

Helen Picker