Am 12. April 2017 hat die Bundesregierung in Deutschland nun den jüngst vom Bundesjustizministerium vorgelegten Referentenentwurf für ein Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft beschlossen. Der Entwurf des sog. „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz“ (UrhWissG) setzt die Maßgabe des Koalitionsvertrages um, eine „Bildungs- und Wissenschaftsschranke“ – also eine gesetzlich geregelte Nutzungserlaubnis – einzuführen. Der Gesetzgeber hat in seinem Entwurf letztlich auf eine allgemein umfassende Generalklausel als Schranke verzichtet und unterbreitet stattdessen einen Vorschlag mit mehreren Einzelregelungen in Bezug auf urheberrechtliche Nutzungen im Bereich Bildung und Wissenschaft, die ohne die Zustimmung der jeweiligen Urheber bzw. Rechteinhaber gesetzlich erlaubt sind.
Kern der Reform
Kern der Reform ist laut Begründung des Gesetzesentwurfs ein neuer Unterabschnitt 4, der die Vorschriften über die gesetzlich erlaubten Nutzungen (Schranken) im Urheberrechtsgesetz durch die neuen Paragrafen 60a bis 60h Urheberrechtsgesetz (UrhG) ändert. Die neuen Vorschriften des Entwurfs umfassen konkrete Nutzungsbefugnisse für Unterricht, Wissenschaft und Wissensinstitutionen, wie z.B. Bibliotheken. Enthalten ist auch erstmals eine urheberrechtliche Regelung zum „Text und Data Mining“, der softwaregestützten Auswertung großer Datenmengen. Im Entwurf werden darüber hinaus die vorhanden Schranken-Vorschriften bereinigt, sodass u.a. die Paragrafen 52a UrhG (Elektronische Semesterapparate), 52b UrhG (Elektronische Leseplätze) und 53a UrhG (Kopienversand) entfallen. Änderungen sind ebenfalls u.a. bei den Paragrafen 46 UrhG (Sammlungen für Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch) und § 51 UrhG (Zitatrecht) vorgesehen. Bei § 51 UrhG soll beispielsweise ergänzt werden, dass sich die Zitierbefugnis auch auf die Nutzung einer Abbildung (wie zum Beispiel eines Gemäldes) erstreckt, wenn deren Reproduktion eigens geschützt ist. Weiterhin koppelt die Reform die erlaubten Nutzungen in der Regel an eine angemessene Vergütung der Urheber. So wird die Vorschrift zu Pauschalvergütungen auf einen Teil der neu geschaffenen Einzelregelungen im Unterabschnitt 4 erweitert, soweit dieser Vervielfältigungen betrifft.
Die reformierten gesetzlichen Nutzungsbefugnisse sind zwingend und können nicht vertraglich eingeschränkt oder ausgehebelt werden.
Fazit
Insgesamt macht die Reform den Nutzern in Wissenschaft, Forschung und Lehre das Leben durch klare, geordnete Vorschriften, die Abschaffung unbestimmter Rechtsbegriffe und die Erweiterung der Nutzungsbefugnisse leichter. Auch Rechteinhaber profitieren, denn sie erhalten eine angemessene Vergütung für Nutzungen, die ansonsten ohne Vergütung stattgefunden hätten.
Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen begrüßt die Reformüberlegungen. In einer Stellungnahme äußerte die Allianz der Wissenschaftsorganisatoren, dass die vorgeschlagene Gesetzesnovelle einen „angemessenen Interessenausgleich zwischen Urhebern und Wissenschaft ermögliche und die Umsetzung der Digitalen Agenda 2014-2017 der Bundesregierung maßgeblich voran bringe“.
Kritischer wird der Novellierungsvorschlag hingegen von einigen Interessenvertretern aus dem Bereich des Verlagswesens gesehen. Insbesondere die vorgesehenen Pauschallösungen bei der Regelung der Vergütung führe dazu, dass Urhebern keine angemessene Vergütung verschafft wird. Als in der Tat nicht ganz unproblematisch könnte sich u.a. der im Gesetzesentwurf gemachte Versuch erweisen, den Umfang der erlaubten Nutzung zu quantifizieren (z.B. bis zu 25% für Unterricht, Lehre und Forschung und für die eigene wissenschaftliche Forschung sogar bis zu 75%) und damit die Nutzungsbefugnis in bestimmten Fällen zu sehr auszuweiten anstatt die gewünschte Nutzungsbegrenzung zu erreichen.
Die geplante Gesetzesnovelle umfasst neben den vorgenannten Änderungen des deutschen Urheberrechtsgesetzes auch Vorschläge zur Änderung des deutschen Patentgesetzes sowie des Gesetzes über die Deutsche Nationalbibliothek.
Franziska Pechtl