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Praktikum und Wahlstation im Ausland: Was muss ich bei der Bewerbung beachten? – ein Erfahrungsbericht

Der International Students Day feiert am 17.11. sein alljährliches Debüt. Anlass für die Einführung war die stetige Erinnerung an die Studentenproteste in Prag gegen die deutsche Besetzung der Tschechoslowakei im Jahr 1939, die jedoch gewaltsam niedergeschlagen wurden. Seit jeher dient der Students Day der Anerkennung aller Schwierigkeiten, denen Studenten und junge Leute auf der ganzen Welt ausgesetzt sind.

Im Vergleich zur damaligen Kriegszeit sehen sich Studenten sich heute mit anderen Problemen konfrontiert, die die Ausgestaltung ihrer Zukunft bereitet. Die Arbeitswelt wird immer digitaler und internationaler. Die meisten (Büro-) Berufe können dank Remote-Arbeit nun ganz einfach und flexibel von zuhause oder anderen Orten auf der Erde ausgeübt werden, sodass manche Kollegen einander nie persönlich zu Gesicht bekommen.

Die Anforderungen an den Nachwuchs haben sich dafür aber auch geändert. Nun sind gute und vielseitige Sprachkenntnisse (oder zumindest gutes Englisch), Offenheit gegenüber internationalen Partnern und Kunden sowie Auslandsaufenthalte durch Work & Travel oder für mindestens ein Semester während des Studiums gefragt. Während des Rechtsreferendariats in Deutschland gibt es die Möglichkeit, die dreimonatige Wahlstation im Ausland zu absolvieren.

 

Welche Überlegungen muss ich vor der Bewerbung anstellen?

Ein Aufenthalt im Ausland ist für die persönliche Entwicklung besonders gut geeignet. Wenn man sich aber dazu entschließt, für eigene Zeit ein internationales Praktikum einzugehen, sollte man sich im Vorfeld über einige Dinge klar machen.

 

  1. Suche rechtzeitig nach einem Praktikumsplatz

Die Suche nach einem geeigneten Platz kann lange dauern. Dabei macht es keinen Unterschied, ob Du dich irgendwo im Ausland oder in deinem Heimatland bewirbst. Als ich auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz in meiner Heimat in Dresden, Deutschland war, um meine Rechtsanwaltsstation zu absolvieren, hat es einige Monate gedauert, bis ich etwas Geeignetes gefunden habe. Der Druck hatte sich mit der Zeit auch erhöht, da ich bis zu einer Frist eine Bestätigung übersenden musste.

Für die Wahlstation wollte ich mir den Druck ersparen. Da mir schon lange vorher klar war, dass ich für die drei Monate ins Ausland möchte, habe ich schon früh angefangen nach einer geeigneten Stelle zu suchen. Zu meinem Glück wurde ich schnell fündig und die Bewerbung verlief reibungslos, sodass ich die Zeit bis zum Stationsantritt für die weitere Planung entspannt nutzen konnte.

 

  1. Welches Rechtsgebiet soll es werden?

Bevor es nun auf die konkrete Suche nach einer Kanzlei oder einem Unternehmen geht, solltest Du dir im Klaren sein, welches Rechtsgebiet du gerne erleben möchtest. Daher kann es wichtig sein, für sich zu klären, ob man lieber die klassische Anwaltstätigkeit erleben oder sich lieber als Unternehmensjurist*in ausprobieren möchte.

Während meiner praktischen Ausbildung habe ich mich auf den Bereich gewerblichen Rechtsschutz konzentriert, um schon erste Erfahrungen sammeln und entscheiden zu können, ob ich beruflich dieses Rechtsgebiet ausüben möchte. Daher habe ich hauptsächlich nach Kanzleien geschaut, die in diesem Bereich tätig sind. Die Theorie kann man sich selbst gut beibringen. Aber es ist auch wichtig, die praktische Seite zu sehen, denn jedes Rechtsgebiet ist anders anzugehen.

 

  1. Wo möchte ich gerne hin?

Auch sollte man sich vorher Gedanken machen, in welches Land man reisen möchte. Ich war schon immer angetan von den Niederlanden und der Schweiz; letztendlich fiel die Wahl auf die Niederlande als weiteres Mitglied der EU, da die Rechtslage ähnlich ist wie in Deutschland. Wer aber gerne bisher unbekannte Rechtssystem kennenlernen möchte, dem steht die Welt offen!

Das Nachbarland hat aber auch kulturell viel zu bieten und trotz geografischer Nähe gibt es dort viel Neues zu entdecken. Aber auch aus rechtlicher Sicht wird man nicht enttäuscht. So kann rechtsvergleichend sehr viel dazu gelernt werden. Auch sitzt in Den Haag der Internationale (Straf-) Gerichtshof. Wer also eine Vorliebe für internationales Straf- und Völkerrecht hat, kann sich auch dort für ein Praktikum bewerben.

 

  1. Werde ich sprachlich gut zurechtkommen?

Genauso wichtig ist die Überwindung möglicher Sprachbarrieren. Es ist daher ratsam, Kanzleien bzw. Unternehmen zu suchen, die zumindest auch in englischer Sprache arbeitet. Für mich war der Bezug zu deutschen Kanzleien oder Mandanten wichtig. So konnte ich mir ein besonders gutes Bild über die Unterschiede der Arbeits- und Verfahrensweise machen.

Viele Kanzleien im Ausland, vor allem außerhalb der EU, begehren aber auch Praktikanten, die sprachgewandt sind. Es ist also ratsam, auch die Amtssprache des Wunschortes zu beherrschen. Die Suche kann auch danach gerichtet werden, wie international das Wunschpraktikum sein soll. Da Heffels Spiegeler Advocaten aber insgesamt international geprägt ist, reichten meine Deutsch- und Englischkenntnisse aus. Also: Je internationaler, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Englisch-Kenntnisse ausreichen.

 

  1. Kann ich den Aufenthalt finanzieren?

Neben der rechtlichen Seite sollte man sich aber auch die Frage stellen, ob der Zeitraum finanzierbar ist. Die meisten Praktika sind über mehrere Monate ausgelegt; je nach Aufenthaltsort können Unterkunft und Versorgung ganz schön teuer werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Aufenthalt zu finanzieren; sei es durch Auslands-BAföG, DAAD-Förderung oder eigene Ersparnisse. Ich hatte das Glück, dass mir genug Erspartes zur Verfügung stand und durch das Referendariat monatlich Gehalt erhielt. In den meisten Fällen wird die Tätigkeit auch bezahlt, sodass die Finanzierung unterstützt wird. Dies muss aber im Bewerbungsgespräch offen kommuniziert werden, um nicht plötzlich im Regen zu stehen.

 

Wie sollte die Bewerbung aussehen?

Der erste große Schritt ist getan! Jetzt geht es aber an die eigentliche Arbeit: wie sollte die Bewerbung aussehen?

 

Sprache des Schreibens

Bei der Sprachwahl des Motivationsschreibens ist nicht viel zu beachten. Wichtig ist, dass sie an die Sprache der Kanzlei oder des Unternehmens angepasst ist, denn sie vermittelt schon den ersten Eindruck der Sprachgewandtheit oder Internationalität. Da Heffels Spiegeler nicht nur Niederländisch und Englisch innehat, sondern auch Rechtsberatung auf Französisch und Deutsch anbietet, habe ich meine Bewerbung auf Deutsch verfasst. Dies hat sich besonders gut geeignet, da die viele Mandanten in Deutschland ansässig sind und ich so die Fähigkeit übermitteln konnte, die Kommunikation sowie das Verständnis für das deutsche Rechtssystem zu unterstützen.

In den meisten Fällen wird die genutzte Sprache aber Englisch sein. Daher solltest Du zeigen, dass deine Englischkenntnisse gut sind. Rechtsenglisch wird dafür nicht erforderlich sein, die spezielle Terminologie kannst du auch während deines Aufenthaltes lernen.

 

Welchen Eindruck möchte ich vermitteln?

Bei der Bewerbung solltest du unbedingt zeigen, worin das Interesse besteht. Vor allem bei sehr speziellen Rechtsgebieten wie gewerblicher Rechtsschutz ist es wichtig verdeutlichen, wie hoch das Interesse an einer beruflichen Laufbahn in dem Rechtsgebiet ist. Ich konnte glücklicherweise schon Erfahrungen durch die bisherige Referendarausbildung aufweisen, sodass die Chancen für mich gut standen, erfolgreich einen Ausbildungsplatz zu finden.

Die Bedeutung ist bei vielen Kanzleien und Unternehmen hoch, da viele Aufgaben auf Eigenverantwortung basieren. Wenn der potenzielle Ausbilder während des Bewerbungsverfahrens das Gefühl bekommt, dass die Aufgaben nicht wunschgemäß erfüllt werden könnten, hat man schlechte Karten, den Platz zu bekommen. Denn letztendlich wirst du auch Arbeit für die Kanzlei oder das Unternehmen verrichten, dazu gehört ein Geben und Nehmen!

 

 

Glückwunsch! Du hast die Stelle in der Tasche: die letzten Schritte

Nun heißt es erstmal, die letzten Vorbereitungen zu treffen. Je nach Dauer und Ort ist ein Visum erforderlich. Daher solltest du dich erstmal darum kümmern. Für den dreimonatigen Aufenthalt in den Niederlanden war dies für mich kein Thema.

Viel umständlicher wird die Suche nach einer geeigneten Unterkunft sein. Wer für mindestens sechs Monate im Ausland ist, hat gute Chancen, ein Zimmer oder eine Wohnung zu einem guten Preis zu finden. Dafür bieten sich Studenthotels bzw. Studentenapartments und -wohnheime besonders gut an. Für nur drei Monate Aufenthalt kann es schon schwieriger werden, etwas zu finden. Wenn man Glück hat, kommt man in einer WG unter, die ein Zimmer untervermietet. Es gibt auch Wohnungen auf Zeit, die man für einen begrenzten Zeitraum mieten kann. Allerdings besteht hier die Schwierigkeit, eine passende Unterkunft für den erforderlichen Zeitraum zu finden. Zur Not ist es immer noch möglich, in ein Hotel oder eine Ferienwohnung und ein AirBnB unterzukommen. Viele Hosts bieten Wohnungen für einen längeren Aufenthalt an, vor allem für Personen, die aufgrund des Berufs oder Studiums zeitweise in der Stadt unterwegs sind. Allerdings sollte man sich im Klaren sein, dass die Miete viel höher ausfallen kann, je nach Aufenthaltsort. So kann man aber auf jeden Fall neue Leute kennen lernen!

 

Ungeachtet der beruflichen Seite des Aufenthalts sollte man aber auch nicht vergessen, das Land zu erkunden. Selbst im Nachbarland gibt es kulturelle Unterschiede, an die man sich vielleicht erst gewöhnen muss. Das macht den Aufenthalt aber umso spannender.

Es ist heutzutage zwar einfacher, für einige Zeit international unterwegs zu sein. Dennoch kann sich nicht jeder Student oder Rechtsreferendar diesen Wunsch erfüllen. Daher ist die Erfahrung umso wertvoller, die man beruflich und persönlich erlebt. Wer also das Interesse und die Möglichkeit hat, sollte nicht lange zögern und es wagen!

 

Virginia Bagirian